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Management Buy-Out (MBO) der Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung (OOO) in Russland

Aufgrund der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Lage in der Russischen Föderation beschließen einige ausländische Unternehmen, sich vom russischen Markt zurückzuziehen. Am häufigsten geschieht dies durch die Liquidation russischer Gesellschaften mit ausländischer Beteiligung oder den Verkauf der Anteile. Oft sind die Käufer bei solchen Transaktionen das Management des russischen Unternehmens - entweder persönlich oder durch die Gründung einer neuen Firma. Wenn der Käufer einen durchdachten Geschäftsplan für die weitere Entwicklung der Gesellschaft hat, bietet das Management Buy-Out (MBO) eine Reihe von Vorteilen gegenüber einer Liquidation oder dem Verkauf des Unternehmens an Dritte wie z. B.:

  • Minimierung des Risikos der Offenlegung vertraulicher Informationen beim Unternehmensverkauf;
  • keine oder nur begrenzte Due-Diligence-Prüfung der Gesellschaft, da die Geschäftsleitung des Unternehmens dessen Finanzdaten bzw. sonstige Aspekte der Tätigkeit kennt;
  • relativ kurze Transaktionsdauer, auch weil es nicht notwendig ist, einen Anteilskäufer zu suchen;
  • Erhalt von Arbeitsplätzen;
  • Kontinuität der Geschäftstätigkeit der Firma, Beibehaltung des Kundenstamms und des Geschäftsrufs sowie der Beziehungen zu den Vertragspartnern;
  • Möglichkeit der Rückkehr des Verkäufers auf den russischen Markt durch den Abschluss einer Optionsvereinbarung zum „Rückkauf“ der Anteile.

Strukturierung der Transaktion

Bei der Planung eines MBO sollten zunächst die Satzung und (falls vorhanden) der Gesellschaftervereinbarung der russischen Gesellschaft geprüft werden, um sicherzustellen, dass darin kein Verbot der Anteilsveräußerung an Dritte besteht und ob Bestimmungen über die Veräußerung von Anteilen vorhanden sind.

Es ist empfehlenswert, dass die Parteien zu Beginn der Verhandlungen eine Absichtserklärung (auch Term Sheet, Memorandum of Understanding oder Letter of Intent genannt) abschließen, in der die wichtigsten Bedingungen der Transaktion, einschließlich der Vertraulichkeitspflicht im Laufe der Verhandlungen sowie eine Roadmap der Transaktion festgelegt sind. In einigen Fällen unterzeichnen die Parteien auch eine Exklusivitätsvereinbarung, die den Verkäufer verpflichtet, mit Dritten keine gleichzeitigen Verhandlungen über den Anteilsverkauf zu führen.

Wenn der Verkäufer eine Rückkehr auf den russischen Markt erwägt, können die Parteien gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Anteilskaufvertrags eine Optionsvereinbarung zum Abschluss eines „umgekehrten“ Anteilskaufvertrages abschließen (sog. Rückerwerbsoption). Gemäß dieser Vereinbarung gewährt der Käufer (der neue Gesellschafter) dem Verkäufer (dem ursprünglichen Gesellschafter) durch ein unwiderrufliches Angebot das Recht, innerhalb eines bestimmten Zeitraums einen oder mehrere Anteilskaufverträge zu den in der Optionsvereinbarung vorgesehenen Bedingungen abzuschließen. Die Optionsvereinbarung kann vorsehen, dass die Annahme dieses Angebots nur bei Eintritt bestimmter Umstände möglich ist (z. B. Weiterveräußerung des Anteils an einen Dritten, Beschlussfassung zur Liquidation der Gesellschaft, Erreichen bestimmter Finanzkennzahlen durch die Firma usw.).

Nach russischem Recht muss die Optionsvereinbarung zum Abschluss eines Anteilskaufvertrages von einem russischen Notar beurkundet werden. Im Gegensatz zu den Informationen über die Anteilsverpfändung sind die Informationen über den Abschluss einer solchen Vereinbarung im EGRUL oder anderen öffentlichen Registern nicht ersichtlich und damit Dritten nicht bekannt. Wird der Anteil also unter Verstoß gegen die Bedingungen der Optionsvereinbarung an einen Dritten weiterverkauft, verliert der ursprüngliche Gesellschafter das Recht, das Angebot zum Abschluss des Anteilskaufvertrages anzunehmen. Außerdem kann er die Übertragung der Rechte des Gesellschafters auf ihn nicht verlangen, und ist darauf beschränkt, etwaige in der Optionsvereinbarung vorgesehene Sanktionen (Geldbußen, Strafzinsen) anzuwenden. Die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Optionsvereinbarung kann wiederum auch durch den Abschluss eines Verpfändungsvertrags über jegliches der Gesellschaft selbst oder ihrem Gesellschafter gehörende Eigentum (Immobilien, Anlagen usw.) gesichert werden.

Es ist gängige Praxis, beim Anteilsverkauf zwei Verträge abzuschließen. Der erste dieser Verträge, der Anteilskaufvertrag, legt die Verpflichtung der Parteien zur Durchführung des auf die Anteilsveräußerung ausgerichteten Geschäfts fest und bedarf keiner notariellen Beurkundung. Der Abschluss des zweiten Anteilsübertragungsvertrags kann vom Eintritt bestimmter Umstände abhängig gemacht werden (Einholung der Zustimmung der Kartellbehörde zur Transaktion, Änderung des Firmennamens der Gesellschaft, Erfüllung der Verpflichtungen der Gesellschaft zur Darlehensrückzahlung an den Verkäufer usw.) und ist notariell zu beurkunden. Wird die Anteilsveräußerung durch einen einzigen Anteilskaufvertrag formalisiert, der sowohl als verbindliches Geschäft als auch als Verfügungsgeschäft gilt, ist bei der Transaktion die Einbeziehung eines russischen Notars erforderlich.

Der Anteil geht ab dem Datum der Eintragung der Angaben über den neuen Gesellschafter ins EGRUL auf den Erwerber über. Infolgedessen werden alle Rechte und Pflichten des Gesellschafters, die vor der Anteilsveräußerung entstanden sind, auf den Käufer übertragen (mit Ausnahme der zusätzlichen Rechte und Pflichten, die einem bestimmten Gesellschafter gewährt wurden).

Kaufpreis der Anteile

Im Rahmen des MBO können die Parteien einen Kaufpreis vereinbaren, der dem Nominalwert oder tatsächlichen Marktwert der Anteile entspricht, oder die Anteile zu einem symbolischen Preis (1 Rubel/Euro) verkaufen. Obwohl das russische Recht keinen Mindestverkaufspreis vorschreibt, birgt die letztgenannte Option jedoch gewisse steuerliche und finanzielle Risiken.

Die Zahlung des Kaufpreises kann in Raten erfolgen; in diesem Fall bleibt der Anteil in der Regel beim Verkäufer verpfändet, um die Erfüllung der Verbindlichkeiten zur Bezahlung des Kaufpreises für den Anteil zu sichern. Bis zur Aufhebung der Verpfändung übt der Pfandgläubiger (Anteilsverkäufer) die Rechte des Gesellschafters aus. Diese Regeln sind jedoch dispositiv und können durch den Anteilskaufvertrag geändert werden. In jedem Fall sind die Informationen über die Anteilsverpfändung in das Einheitliche staatliche Register der juristischen Personen (EGRUL) einzutragen und werden damit für Dritte zugänglich.

Der Anteilserwerb kann entweder mit eigenen Mitteln des Käufers oder fremdfinanziert erfolgen. Haben die Parteien jedoch z.B. Darlehensverträge abgeschlossen, so kann die Bezahlung des Kaufpreises durch die Aufrechnung von gleichartigen Gegenforderungen erfolgen.

Einholung der erforderlichen Zustimmungen, Genehmigungen und Erlaubnisse

Zustimmung der Kartellbehörde (FAS)

In bestimmten Fällen ist für die Transaktion die vorherige Zustimmung des Föderalen Antimonopoldienstes der Russischen Föderation (FAS) erforderlich, insbesondere wenn der Buchwert der Aktiva der erworbenen Gesellschaft und ihrer Unternehmensgruppe RUB 800 Mio. übersteigt und eine der folgenden Bedingungen vorliegt (sofern es sich nicht um Finanzinstitute handelt):

  • der Gesamtwert der Aktiva gemäß den letzten Bilanzen des Käufers und seiner Unternehmensgruppe sowie der erworbenen Gesellschaft und ihrer Unternehmensgruppe übersteigt sieben Milliarden Rubel;
  • die Gesamteinnahmen der vorgenannten Personen im letzten Kalenderjahr übersteigen zehn Milliarden Rubel.

Eine Ausnahme bilden Transaktionen innerhalb einer Unternehmensgruppe mit anschließender Benachrichtigung des Antimonopoldienstes, vorausgesetzt, die Liste der Unternehmen, aus denen die Gruppe zum Zeitpunkt der Transaktion besteht, hat sich gegenüber den zuvor dem FAS vorgelegten Informationen nicht geändert.

Genehmigung der Regierungskommission

Am 8. September 2022 trat der Erlass Nr. 618 des Präsidenten Russlands in Kraft, mit dem ein spezielles Verfahren für Transaktionen mit Anteilen russischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung eingeführt wurde. Nun ist es erforderlich, eine Genehmigung der Regierungskommission für die Kontrolle ausländischer Investitionen in der Russischen Föderation einzuholen, um derartige Geschäfte abzuschließen und/oder auszuführen.

Dieses Verfahren kommt zur Anwendung, wenn es sich bei mindestens einer der Parteien des Geschäfts auch um so genannte „Personen ausländischer Staaten, die unfreundliche Handlungen begehen“ handelt.

Zu diesen Personen gehören:

  • Staatsangehörige von Staaten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben;
  • juristische Personen, die ihren Sitz, den überwiegenden Ort der Geschäftstätigkeit oder den überwiegenden Ort der Gewinnerzielung in diesen Ländern haben;
  • alle Personen, die von ihnen kontrolliert werden, unabhängig vom Ort ihrer Registrierung oder ihrer überwiegenden Geschäftstätigkeit.

Derzeit umfasst die Liste der unfreundlich handelnden ausländischen Staaten alle EU-Mitgliedstaaten und eine Reihe anderer Länder (z.B. Großbritannien, Schweiz, Norwegen, USA usw.).

Es geht um Transaktionen und Geschäfte, die unmittelbar und/oder mittelbar die Begründung, Änderung oder Beendigung von Rechten zum Besitz, zur Nutzung und/oder zur Veräußerung von Anteilen am Stammkapital von Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder von anderen Rechten, die es gestatten, die Bedingungen der Geschäftsführung dieser Gesellschaften und/oder die Bedingungen ihrer Geschäftstätigkeit zu bestimmen, zur Folge haben.

Nach dem Wortlaut zu urteilen, ist eine Genehmigung für die Anteilsveräußerung (einschließlich Optionsverträge und Optionsvereinbarungen zum Abschluss der Anteilskaufverträge), den Austritt von Gesellschaftern aus der Gesellschaft, die Anteilsverpfändung.

Das besondere Verfahren gilt nicht für die Geschäfte mit Anteilen an Kreditinstituten und Nicht-Kredit-Das Verfahren für die Erteilung von Genehmigungen wird von der russischen Regierung bis zum 18. September 2022 bestimmt.

Sonstige Zustimmungen

Zusätzlich zu den oben genannten Zustimmungen der staatlichen Behörden kann für eine Transaktion je nach der konkreten Situation zusätzlich erforderlich sein:

  • Zustimmung der Verwaltungsorgane der Parteien (juristische Personen);
  • Notariell beurkundete Zustimmung der Ehegatten der Parteien (natürliche Personen);
  • Notariell beurkundete Angebote des Verkäufers zum Erwerb der Anteile durch andere Gesellschafter und/oder die Gesellschaft selbst im Falle des Verkaufs der Anteile an den Dritten;
  • Notariell beurkundete Verzichte auf das Vorkaufsrecht anderer Gesellschafter und/oder der Gesellschaft selbst.

Es ist zu beachten, dass die außerhalb der Russischen Föderation zu beschaffenden Unterlagen notariell zu beurkunden, im Ausland zu apostillieren und ins Russische zu übersetzen sind, wobei die Richtigkeit der Übersetzung von einem russischen Notar zu bestätigen ist.

Geistiges Eigentum

Empfehlenswert ist es auch, in der Absichtserklärung die Beendigung bzw. Übertragung von Rechten an geistigem Eigentum zu regeln. So kann der Anteilskaufvertrag oder eine getrennte Vereinbarung beispielsweise die Änderung eines Firmennamens der zu verkaufenden Gesellschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorsehen. Die Beendigung von Lizenzverträgen über die Nutzung von Marken oder Software sowie Dienstleistungsverträgen kann ebenfalls erforderlich sein.

Die Frage der Nutzung eines so wertvollen Wirtschaftsguts wie des Domainnamens ist eine gesonderte Erwähnung wert, da die russische Gesetzgebung ihn nicht als Gegenstand des geistigen Eigentums einstuft, aber keine Antwort auf das rechtliche Wesen eines Domainnamens und seinen Platz unter den zivilrechtlichen Gegenständen gibt, während die Rechtsprechung ihn als eine Art der Nutzung einer Marke im Internet betrachtet. Somit ist die rechtliche Regelung dieses Gegenstands eher vage und bedarf der einzelvertraglichen Ausgestaltung.

Anwendbares Recht und Gerichtsbarkeit

Die Normen des russischen internationalen Privatrechts erlauben den Vertragsparteien die Wahl des auf den Vertrag anwendbaren Rechts. Doch die Übertragung von Anteilen an einer russischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird auf jedem Fall durch zwingende Normen des russischen OOO-Gesetzes geregelt. Zudem gilt als persönliches Recht einer juristischen Person, das u.a. das Verfahren der Anteilsveräußerung bestimmt, das Recht des Landes, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, d.h. das Recht der Russischen Föderation. Unserer Ansicht nach sollte der Anteilskaufvertrag im Rahmen eines MBO daher insgesamt dem russischen Recht unterliegen, was auch von der Rechtsprechung unterstützt wird.

Nach russischem Recht können Streitigkeiten aus Anteilskaufverträgen nicht nur vor staatlichen Gerichten, sondern auch vor Schiedsgerichten verhandelt werden. Angesichts der Tatsache, dass die Vollstreckung einer russischen staatlichen Gerichtsentscheidung im Ausland und umgekehrt nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist und sich schwierig gestalten kann, lohnt es sich, die Aufnahme einer Schiedsklausel in den Anteilskaufvertrag in Erwägung ziehen, da Entscheidungen von Schiedsgerichten sowohl in Russland als auch in den meisten Ländern, die das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 ratifiziert haben, als verbindlich anerkannt werden.

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Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen bieten die im russischen Recht verankerten rechtlichen Mechanismen Möglichkeiten an, um sicherzustellen, dass die Interessen sowohl des Verkäufers als auch des Käufers respektiert und die Risiken minimiert werden.