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Unsere Kolumne in der „Moskauer Deutsche Zeitung”

Aufrechnung und Abtretung im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr

Bis vor kurzem war die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat von Zahlungsverpflichtungen aus dem Ausland nach Russland in grenzüberschreitenden Verträgen durch die Devisengesetzgebung Russlands stark eingeschränkt. Infolge der Zahlungssanktions- beschränkungen kam es in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 zu einer erheblichen, aber vorübergehenden Liberalisierung der russischen Devisengesetzgebung. In der Praxis steht eine Aufrechnung insbesondere in Unternehmensgruppen häufig in Zusammenhang mit der Abtretung von Geldforderungen.

Abtretung von Geldforderungen

Die Übertragung einer Forderung durch das Rechtsgeschäft der Abtretung oder Zession ist eine Art des Gläubigerwechsels nach russischem Recht. Als rechtliches Instrument zur Forderungsübertragung dient der Vertrag zwischen dem Gläubiger (Zedent) und einem Dritten (Zessionär) nach Artikel 382 ZGB. Die Wirksamkeit der Abtretung ist nicht an die Mitwirkung des Schuldners gebunden. In der Praxis empfiehlt es sich jedoch, dass der Schuldner die Abtretungsvereinbarung auch signiert, was die Kenntnisnahme der Abtretung seitens des Schuldners zweifelsfrei dokumentiert.

Eine wirksame Abtretungsvereinbarung setzt nicht nur eine Einigung der Vertragsparteien über alle wesentlichen Vertragsbedingungen wie den Vertragsgegenstand (einschließlich der hinreichend individuell bestimmten oder bestimmbaren abzutretenden Forderung) sowie durch das Gesetz und die Parteien bestimmte Vertragsbedingungen voraus, sondern auch die Einhaltung der erforderlichen Vertragsform (Art. 432 ZGB).

Verstöße gegen die Vereinbarung der Parteien über ein Abtretungsverbot bzw. eine andere Einschränkung der Abtretung einer Geldforderung machen die Zession nicht ungültig, aber der Zedent haftet dafür gegenüber dem Schuldner (Art. 388 Punkt 3 ZGB). Diese Regel gilt nicht nur im kaufmännischen Verkehr, sondern in jedweder Beziehung.

Form des Abtretungsvertrages

Nach russischem Recht ist die Form des Abtretungsvertrages streng von der Form des die Forderung begründenden Rechtsgeschäfts abhängig, andernfalls droht er seine Gültigkeit zu verlieren. Diese Regelung gilt grundsätzlich für die Form des Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfts. Der grenzüberschreitende Geschäftsverkehr sowie Verträge mit/zwischen juristischen Personen bedürfen grundsätzlich einer einfachen schriftlichen Form. In durch das Gesetz benannten Fällen ist eine staatliche Registrierung des Abtretungsvertrags notwendig, wenn es sich z.B. um bestimmte Rechtsgeschäfte mit Immobilien handelt.

Als Einhaltung der einfachen schriftlichen Form eines Vertrages gelten nach dem ZGB die Erstellung einer einheitlichen, durch die Vertragsparteien handschriftlich oder mit entsprechenden elektronischen Signaturen unterschriebenen Urkunde sowie der Austausch von Dokumenten, darunter auch in elektronischer Form, die es ermöglichen, den Inhalt des Rechtsgeschäfts unverändert nachzubilden. Aus steuerlichen sowie prozessrechtlichen Beweisaspekten bei gegenseitigen Verträgen ist es empfehlenswert, so viele Originale der Vertragsurkunde anzufertigen, wie es Parteien gibt.

Aufrechnung

Eine Forderung erlischt vollständig oder teilweise durch die Aufrechnung (Art. 410 ZGB). Für die Aufrechnung nach russischem Recht gelten die gleichen Voraussetzungen wie nach deutschem Recht, nämlich: Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Wirksamkeit der Forderungen und grundsätzlich die Fälligkeit der Gegenforderung. Für die Gleichartigkeit der Geldforderungen ist die Valuta der Zahlung und nicht die Valuta der Forderung maßgeblich. Verschiedene Entstehungsgründe der Gegenforderungen schließen die Gleichartigkeit der Forderungen nicht aus. Die Wirksamkeit der Aufrechnung ergibt sich durch eine Aufrechnungserklärung. Eine automatische und vom Willen der Parteien unabhängige Aufrechnung kraft Gesetzes bei Vorliegen aller erforderlichen Voraussetzungen oder einem Gerichturteil zur Feststellung der Aufrechnung ist nicht vorgesehen.